Meinung | Romani Voices | Teil 3: Meinung zu „Schwarze Katze, weißer Kater“ (1998) von Laura Moldovan

Quelle Foto: ia.media-imdb.com

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Die Reihe „Romani Voices“ gibt Menschen aus der Roma Community die Möglichkeit ihre Meinung zu veröffentlichen. Der folgende Text ist von Laura Moldovan. Der folgende Text ist keine Filmkritik. Er stellt nicht die Fähigkeiten von Kusturica als Regisseur in Frage. Dieser Text beschreibt die Wahrnehmung von Laura Moldovan. Es ist ihre Analyse der „Zigeuner“, die Kusturica in seinen Filmen zeigt und eine Analyse davon was diese konstruierten „Zigeuner“ und deren karikierte Welt mit der Wahrnehmung jener Menschen macht, die diese preisgekrönten und hochanerkannten Filme sehen.

Der Text gliedert sich in 4 Teile: ein Intro und 3 Einzeltexte zu verschiedenen Filmen:

 

Teil 1 Intro | „Emir Kusturica und seine Zigeuner“ –> Teil 1 Audio Version
Teil 2: „Die Zeit der Zigeuner“ (1989) –> Teil 2 Audio Version

Sie lesen gerade: Teil 3: „Schwarze Katze, weißer Kater“ (1998) –> Teil 3 Audio Version

Teil 4: „Blue Gipsy – All the invisible children“ (2005) –> Teil 4 Audio Version

oder hören sie sich alle Teile auf einmal an: Teil 1 – 4 Audio Version

 

Teil 3 |  „Schwarze Katze, weißer Kater“ (1998)

 

von Laura Moldovan

Nach dem Preis von Cannes für die „beste Regie“ für den Film „Die Zeit der Zigeuner“ beginnt Emir Kusturica mit dem Dreh des Films „Arizona Dream“ in New York. Namhafte Schauspieler wie Johnny Depp und Jerry Lewis konnte er für diese Produktion gewinnen. Hier beginnt eine schwierige Zeit in der Biografie Kusturicas.

 

Die Arbeit an Arizona Dream fällt ihm schwer – sein Vater stirbt und seine Heimat Jugoslawien bricht im Krieg auseinander. Nach dem Tod seines Vaters, kehrt Kusturica zurück nach Ex-Jugoslawien und macht seinen mutigsten Film „Underground“, in dem er die Geschichte der letzten 50 Jahre seines Heimatlandes kritisch reflektiert. „Ich versuche nicht zu sagen, dass ich ein Genie bin, aber „Underground“ war der stärkste Angriff auf Milosevic“, sagt Kusturica in einem Interview in „The Guardian“ 1999.

An diesem Punkt seiner Karriere wollte Kusturica eigentlich aufhören Filme zu machen. Er hatte das Gefühl, dass er seine „Pflicht“ erfüllt hätte und spürte starken politischen Druck. Danach begann die Arbeit am Film „Schwarze Katze, weißer Kater. Emir Kusturica überdenkt aufgrund seiner negativen Erfahrungen beim Film „Underground“ seine thematische (kritische)  Ausrichtung und seinen Stil und beschließt den Tonfall zu ändern, seichtere Themen zu behandeln und seine Filme fröhlich mit „Happy Ends“ ausklingen zu lassen.

 

Source: kustu.com

 

 

 

 

 

Der ursprüngliche Titel des Films „Schwarze Katze, weißer Kater“ war „Acrobatic Music“. Eine Szene die schnell klarmacht wie es zu diesem Arbeitstitel kam, ist jene in der eine Gruppe von Musikern an einen Baum gefesselt spielt , so als ob es das normalste auf der Welt wäre. Damit wird impliziert, dass für Roma die verrücktesten Dinge und Situationen Normalität bedeuten. Kusturica erlaubt sich in diesem Film seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und die lächerlichsten und seltsamen Hypothesen über Roma und deren Kultur aufzustellen.

 

 

 

 

 

 

 

Das zentrale Thema des Films sind Hochzeiten, die trotz Todesfällen in der Familie stattfinden. Das „Happy End“ kommt mit der Auferstehung der alten Männer – die das „Überleben der Roma“ symbolisiert – und mit dem Sieg der Liebe. Die Hauptfiguren, Zare und Ida, sind die einzig „normal“ dargestellten Menschen im Film. Sie verlassen erleichtert ihren Verwandten mit einem Kreuzfahrtschiff, was die Idee Kusturica´s illustriert, dass man nur außerhalb der Roma-Community ein normales Leben führen kann. „Happy End“   | Siehe YouTube Clip ab Min 03:30

 

 

 

Seltsam, obskur und tierisch primitiv

 

In Kusturicas Film tauchen zahlreiche skurrile Charaktere auf: Eine bärtige Frau, eine übergewichtige Meerjungfrau, ein grünhaariger Leibwächter, der schwarze Obelisk, eine übergewichtige Diva, die mit ihrem Hintern Nägel aus Holz ziehen kann und unzählige weitere. Auch die Magie darf nicht aus dem Film fehlen. Durch ein Ritual des alten Zarije, ist er nur für einen Tag Tod,um die Hochzeit seines Neffen zu stoppen. Auch der Enkel Zare kennt einige Zaubertricks.

 

Screenshot „Black cat, white cat“ (Diva die mit ihrem Hintern Nägel aus dem Holz zieht; rechts im Bild)

 

Dass Kusturica ein Bewunderer von Federico Fellini ist, zeigt sich auch in diesem Film wieder: Er verbindet das tägliche Leben der Roma mit dem Zirkus und erarbeitet sich damit den Spitznamen „Fellini vom Balkan“. „Ich bin stolz darauf, entdeckt zu haben, wie dieser Typ seine Filme macht und dass ich meine auf die selbe Weise machen kann. Ich verwende diese kleinen Tricks, wie ein Magier der einen Zirkus sieht und in einen anderen arbeiten geht.(September 1999)

 

Screenshot „Black cat, white cat“

 

Aus dem totalen Chaos des Films – ein Zirkus, in dem die Roma mit Tieren koexistieren – schließen wir, dass Kusturica die Ähnlichkeit der Roma mit Tieren und ihre Identifikation mit ihnen implizieren wollte. In beinahe jeder Szene des Films werden Tiere gezeigt: Hunde, Ziegen, ein Pfau als Haustier, Katzen als Zeugen einer Hochzeit, ein Schwein, das einen Trabant frisst. Auch die Gänse dürfen als wiederkehrendes Motiv Kusturicas Werke nicht fehlen. Sie sind überall – im Hof, auf der Straße, im Restaurant und sogar im Haus. Am Ende des Films werden sie sogar anstelle von Handtüchern verwendet. Hiermit erinnert Kusturica an seine liebste Legende über Roma und Gänse.

 

 

Screenshot „Black cat, white cat“

 

 

 

Kusturica will die Primitivität der Roma zeigen.

 

Sie sind mittelalterlich, aber sie haben Mobiltelefone

erklärt er in einem Interview in der britischen Zeitung „The Guardian“ 1999.

 

 

Wenn es nach Emir Kusturica gehen würde, müssten wir Roma wohl auch noch in hundert Jahren abgeschottet von jeglicher Technologie in einem goldenen Käfig leben müssen. Wie im Zoo könnten sich seine Zuseher dann über unser Leid und unser Leben lustig machen, so wie im Zirkus. Ein antiziganistischer Klassiker, der es dem Publikum leicht macht, Roma in eine Schublade zu stecken, um sie bei Bedarf jeder Zeit wieder herauszuholen.

 

 

 

 

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